… ein Land, in dem noch niemand war: Heimat | 31. 8. – 3.9. 2006
Für unser Jahrestreffen 2006 in Mittelstimmig, im Atelier von Raffael Rheinsberg und Lilli Engel, hatten wir einen Landstrich gewählt, in der Edgar Reitz’ Hunsrücker Saga ‚Heimat‘ ihren Ausgang nimmt. Dieser komplexe, schillernde, belastete Begriff gab dann auch den Reflexionshorizont unseres Treffens ab. Was bedeutet Heimat, in Zeiten der flüchtigen Moderne, der Beschleunigung und Ortsunabhängigkeit der Kommunikation durchs Internet, der geschrumpften Entfernungen? Die allgegenwärtige Technik der Vernetzung erlaubt dem Künstler heute in der Allianz mit der Medienkultur überall und jederzeit am Kunstgeschehen teilzunehmen; Künstler und Kunstwerke gehören ganz selbstverständlich zum Jet-Set und reisen, sei’s economy oder first class, durch die Welt. Andererseits ist die Geschichte der Kunst des 20/21. Jahrhunderts auch eine Geschichte der Emigration, der Diaspora, in der man immer in der Fremde lebt. Sicherlich wurde die Kunst durch die Bilderwanderungen kosmopolitischer, der Austausch und die Kommunikation zwischen den Ländern ist scheinbar grenzenlos, zugleich steckt aber in der globalen Modernisierung auch der Verlust des kulturell Anderen, eben weil die Rhetorik des Universalismus die Differenz von Nähe und Ferne nicht kennt und abstrakt bleibt. Sinn und die Gestaltung von Sinn hat auch etwas mit der Gebundenheit an Geschichte, an Erinnerung, an Orte zu tun und die planetarische Zivilisation scheint im Gegenzug Orientierungslosigkeit und das Gefühl von Mangel zu erzeugen. Jenseits von sentimentaler Heimatrehabiltierung gab die Frage ‚Was ist Heimat’ vielfältige Denkanlässe im Einwanderungsland? Deutschland: Zwischen der Utopie von Heimat nicht als Raum, sondern als Perspektive, die erst gestaltet werden muß und der sinnlichen Erfahrung des Kiez, einer Landschaft, eines Geruchs, zwischen der Sehnsucht nach Angekommensein und der Instrumentaliserung in den weltweiten Konflikten, wo der Anspruch auf ein Territorium in Terror übergeht. In diesem weitgesteckten Rahmen bewegte sich die Diskussion in den inspirierenden, intensiven Hunsrücker Tagen und auch die Präsentation der Kunstwerke griff die Spannung zwischen Ort und Ortlosigkeit auf, die die Frage nach der eigenen und fremden Kultur heutzutage grundiert.
Teilnehmer
Diana Mercedes Alonso, Renate Anger, Monika Bartholomé, Dorothée Bauerle-Willert, Jens Brand, Monika Brandmeier, Terry Buchholz, Harald Hofmann, Hetty Huisman, Silke Leberkühne, Eva Löfdahl, Rune Mields, Markus Mussinghoff, Phill Niblock, Norbert Radermacher, Raffael Rheinsberg, Eva-Maria Schön, Radomir Stancic, Anna Tretter, Andreas von Weizäcker,
Michael Willhardt
Gäste
Lilli Engel, Michal Murin